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Gewußt warum!

 
Es gibt so vieles, was jungen Eltern vermittelt wird: was man mit seinem Kind zu tun und zu lassen hat, was man rechtzeitig in die Wege leiten muss, was man vermeiden muss, worüber man sich Gedanken machen soll und wovor man sich fürchten muss. 
Alle meinen es gut. Alle? Kommt darauf an, wer welche Interessen verfolgt. Und wer daran verdient.
Mein persönlicher Rat ist: hinterfragen Sie alles, was Ihnen als Wahrheit verkauft wird. Prüfen Sie, ob es Ihrem Herzen stand hält und beobachten Sie sich und Ihr Kind. Und glauben Sie nicht, dass das, was alle machen, immer auch das Richtige ist!

Ich schreibe für Sie in dieser Themenreihe Wissenswertes über das Wesen des kleinen Kindes und gebe Ihnen praktische Anregungen für das Leben mit Kindern. 



                                                                                                                                                                                                                
  


Die ersten acht Wochen

 
 
 
Seid leise
Er ist müd von der Reise
Er kommt von weit her
Vom Himmel übers Meer
Vom Meer den dunklen Weg ins Land
Bis er die kleine Wiege fand
Seid leise
 
(Paula Dehmel)
 
 
Leise ist es wohl, mit einem Neugeborenen im Haus
Leise  ist das Leben und langsam vergeht die Zeit. Ganz anders als alles, was wir bisher gewohnt waren. Kein gesellschaftliches Treiben, kein berufliches Engagement, keine Erfolgserlebnisse, keine Freiheiten, keine intellektuellen Herausforderungen.
Und doch ist es so, dass die größte Herausforderung gerade bei uns eingezogen ist:
Ein hilfloses Wesen  auf seinem Weg in diese Welt zu begleiten.
                   
Seit Menschengedenken werden Kinder geboren und großgezogen
Leben zu erhalten war mit großen Risiken und vielen Mühen verbunden. Heute geht es nicht mehr darum nur zu überleben, das Kollektiv zu bewahren und für seinen weiteren Bestand Lebensweisen unverändert von Generation zu Generation weiterzugeben.
Heute sucht jeder Einzelne sein größtmögliches Potential zu entfalten, bisherige Lebensweisen in Frage zu stellen, alte Gewohnheiten zu erneuern, überkommene Gedankenstrukturen zu verändern um an der Reifung eines kollektiven Bewusstseins mitzuwirken. Heute fragen wir nicht, „wird das Kind überleben?“, sondern:
Wie kann es gelingen,
dass aus diesem zarten Kindlein ein starkes, freudiges, lebenslustiges Kind wird?
Wie kann es gelingen,
dass dieses Kind sich trauen wird das Leben mit seinem ganzen Sein zu erfahren?
Wie wird es gelingen,
dass das Kind mit seiner Persönlichkeit eine Bereicherung für alle ist?
Und wie gelingt es,
dass wir das Zusammensein mit unseren Kindern genießen können?
 
Eltern sein ist eine Herausforderung für jede Mutter und jeden Vater
Mit den Erkenntnissen, die wir heute über das Wesen des Kindes haben und den Möglichkeiten den kindlichen Bedürfnissen zu entsprechen, will ich  Ihnen auf diesem Weg hilfreich zur Seite stehen. Vor allem beim ersten Kind werden sich natürlicherweise viele Fragen auftun und immer neue Unsicherheiten am Wegrand winken. Und da es für die Kindererziehung kein Rezeptbuch gibt, werde ich Ihnen mein Wissen und meine Erfahrung zur Verfügung stellen, die Sie dann – so, oder abgewandelt und ergänzt -  in ihr Leben und auf Ihre jeweilige Situation übertragen können.
 
„Warum hat mir das niemand früher gesagt?“
„Wenn ich das alles gewusst hätte, ich hätte mich anders verhalten!“
 
Niemand macht immer alles richtig
Das ist so. Trotzdem können wir viele Schwierigkeiten vermeiden, wenn wir uns über die Gesetzmäßigkeiten der kindlichen Entwicklung klar sind und den Umgang mit dem Säugling bewusst gestalten. Und zwar von Anfang an. Da das Leben des Kindes gleich am ersten Tag beginnt, sollten wir uns nicht zurücklehnen und mal sehen was da jetzt so kommt und dann kann man ja mal schauen…. denn das Kind gewöhnt sich vom allerersten Tag an das, was wir ihm anbieten. Wenn Sie später etwas in Ihren Gewohnheiten verändern, wird es erst einmal auf das bestehen, was es kennt und was ihm vertraut ist.
Also, ganz praktisch. Woran gewöhnt sich ein Neugeborenes u.a. in den ersten 8 Wochen?
  • Das Neugeborene schwimmt nicht mehr schwerelos im Fruchtwasser, sondern liegt jetzt in einem Bettchen und erlebt das erste Mal Schwerkraft
  • Es wird nicht mehr über die Nabelschnur mit Nahrung versorgt, sondern muss lernen zu trinken. Es lernt Hunger kennen und wie es ist, wenn man satt ist. Es spürt die Bedürfnisse seines Körpers und die Polarität zwischen Wohlsein und Unwohlsein.
  • Es ist nicht mehr, wie in der Schwangerschaft, an den Rhythmus der Mutter gebunden, sondern hat jetzt eigene Schlaf- und Wachphasen, die sich an den Rhythmus von Tag und Nacht anpassen müssen.
  • Nähe und Distanz. Miteinander sein und Für sich sein. Die Bindungsbeziehung entsteht zur Mutter jetzt außerhalb des Mutterleibs.
 
Früher hieß es „Verwöhn‘ das Kind nicht“
Heute wissen wir: das ist Quatsch. Ein Kind darf über alles geliebt, gewünscht, liebkost und bestaunt werden. Es ist einmalig und besonders, das zu zeigen tut allen Beteiligten gut.
Also von ver-wöhnen ist nicht die Rede. Aber ge-wöhnen - ja, das tun wir jeden Augenblick im gemeinsamen Umgang. Und da sollten wir uns bewusst sein, was wir tun.
 
Schauen wir uns das genauer an
Das Baby liegt in seinem Bettchen und schläft. Oder schläft das Baby bei Ihnen auf dem Arm, während Sie auf dem Sofa sitzen und sich nicht trauen es abzulegen um auf die Toilette zu gehen oder einen Tee zu kochen?
Ja, es ist ein wunderschöner Moment so dazusitzen mit einem schlafenden Säugling im Arm. Eine wunderbare Stille und ein besonderer Frieden umgeben uns. Das ist einzigartig. Was wir als Eltern im Bewusstsein haben müssen, ist, dass der Säugling sich an diese  Situation gewöhnt und lernt, dass es immer so ist, das man halt im Arm der Mutter schläft. Wenn er nun größer wird – was erstaunlich schnell geht bei Säuglingen – wird er dann genauso auf dem Arm schlafen wollen, wie er es kennt und gewöhnt ist. Ihn dann auf einmal in ein Bettchen umzuwechseln, wird er kaum verstehen und weiterhin auf dem Arm schlafen wollen. Und dafür wird er kämpfen, und zwar lauthals. Das ist wichtig zu wissen, damit wir den Umgang bewusst gestalten können, ohne von den Konsequenzen überrascht zu werden.
Wenn ein Baby in seinem Bettchen schläft, heißt es nicht, dass wir nicht trotzdem ausreichend Zeiten haben, diesen wunderbaren Moment des Nah-seins zu erleben. Beobachten Sie einmal, wie viele Gelegenheiten der Tag Ihnen schenkt!
 
Wie gemütlich ist eigentlich das Bettchen Ihres Säuglings?
Steht es an einem ruhigen Ort, so dass er nicht gestört wird? Hat es einen Himmel, wie ein schützendes Dach über sich? Ist der Raum angenehm dunkel, denn „dunkel“ kennt der Säugling noch vom Mutterbauch? Ist es warm genug - liegt er gar auf einem weichen Lammfell? Hört es Sie immer wieder dasselbe, schöne Einschlaflied singen, während er in sein Bettchen gelegt wird?
Ist Ihre Haltung die, dass Sie dieses Bettchen als richtig gemütlich empfinden und sich am liebsten selber hineinlegen würden – dann findet Ihr Kind das auch!
 
Jeden Tag gewöhnt es sich ein bisschen mehr
Wir müssen uns bewusst machen, dass es in unserer Verantwortung liegt, wie wir die Umgebung gestalten und welche Rituale wir einführen. Das heißt, wir bestimmen  woran sich das Baby  gewöhnt. Hier ist Achtsamkeit gefragt und auch ein wenig Vorausschau. Lege ich den Säugling z.B. zum Schlafen immer in seine Wiege, lernt er mit all seinen Sinnen diesen Ort als Schlafplatz kennen. Er kennt seine Matratze, er kennt sein Fell, er kennt den Geruch, er kennt die Dunkelheit und er kennt das Lied, das ich ihm singe, bevor ich ihn in seine Wiege lege. Diese Vertrautheit schafft dem Kind Sicherheit. Und Sicherheit zu spüren ist wichtig um loslassen zu können.
So viel und so selbstverständlich wie ein Neugeborenes schläft ein Baby schon nach den ersten sechs Wochen nicht mehr. Wenn neue Dinge in sein kleines Leben treten und gelernt werden müssen, dann weiß er das zumindest ganz gut: die Wiege ist  der Ort, wo ich schlafen darf. 
 
Trinken ist ein Kraftakt
Ach, wie oft schläft das Neugeborene noch beim Trinken ein. Ja, das will gelernt werden und braucht Übung. Satt werden ist wichtig. Nicht nur ein bisschen, sondern richtig satt. Der Säugling muss lernen wie sich das anfühlt: Hunger haben – satt sein. Dadurch lernt er, dass sein elementares Bedürfnis nach Nahrung erfüllt wird.  Dieses Erleben bildet Vertrauen: Ich bin versorgt. Ich bin sicher. Mir fehlt nichts. Das ist eine ganz wichtige Lernerfahrung.
Oft erlebe ich, dass das Baby lange an der Brust nuckelt, ohne richtig zu trinken. Schließlich schläft es ein, bleibt aber an der Brust hängen, wacht dann irgendwann auf, nuckelt wieder ein bisschen weiter – jetzt ist es weder satt noch ausgeschlafen. Das schafft großes Unwohlsein, was es dann durch Weinen äußert. Da hilft dann nur noch anlegen….? Ein Teufelskreis beginnt.
 
Ein sattes Kind hat Kraft getankt
Schon bald merken wir, dass der Säugling, nachdem er sich richtig satt getrunken hat, länger wach bleibt und voller Aufmerksamkeit die Umgebung beobachtet. Ein hungriges und müdes Kind interessiert sich nicht für die Umwelt, sondern ist nur mit seinem Unwohlsein beschäftigt. Dieses Interesse an der Umwelt braucht das Kind aber um zu wachsen und zu gedeihen, denn die Umwelt muss exploriert werden. Da sind sich alle Kinder einig!
 
Satt und Ausgeschlafen – neugierig auf die Welt
Schon ganz früh hat der Säugling wunderbare Interaktionen mit seiner Mama. Sie ist seine Welt und in ihrem Blick und in ihrem Gesicht spiegelt sich alles, was zu dieser Welt gehört. Ja, dieses Gesicht ist immer da, wenn sein Hunger gestillt wird. Es schaut ihn liebevoll an und erzählt von der Welt in weichem Singsang. Wenn er weint, beugt sich dieses Gesicht zu ihm herab. Und wenn er müde wird, verschwindet das Gesicht, bis er wieder aufwacht.
Was das Neugeborene immer, in allen Momenten seines kleinen Lebens, erlebt, ist der Wechsel zwischen berührt werden (wenn es gestillt und gepflegt wird) und für sich sein (wenn es schläft). Nie wieder ist es rund um die Uhr, dauerhaft mit der Mutter verbunden, wie es im Mutterleib war. Es ist jetzt ein eigener Mensch, durchaus eng verbunden und liebevoll versorgt, aber dann wieder frei im Erkunden seines Raumes.
Über die enge Verbundenheit mit der Mutter, kann sich das Kind jetzt außerhalb vom schützenden Mutterbauch langsam auf die neuen Gegebenheiten einlassen. Es entsteht eine neue Beziehung zwischen Mutter und Kind. Sie ist die Einzige, die es schon gut kennt und diese Vertrautheit bietet Sicherheit. Und wer sich sicher fühlt, der traut sich was. Aber bitte langsam.
 
Für den Säugling ist alles neu
Selbst die Wahrnehmung seines eigenen Körpers. Da braucht es ganz viel Hilfe. Die Mutter ist diejenige, die die Bedürfnisse des Kindes wahrnimmt und darauf reagiert. Wenn es weint, wird sie herausfinden, ob es müde ist, Hunger hat oder getröstet werden muss. Das Kind kann nur Weinen. Die Mutter muss erkennen, was es braucht. Das bedeutet zum Beispiel, wenn das Kind müde ist, wird sie es schlafen legen und nicht stillen. Oder wenn es Kummer zu haben scheint und „erzählen“ will, wird sie ihm nicht einen Schnuller in den Mund stecken und es ablenken – nur damit es still wird. Es ist wichtig, die Bedürfnisse des Kindes richtig zu deuten und eindeutig darauf zu reagieren. Sonst entsteht beim Kind Verwirrung statt Vertrauen.
 
Die Bindungsbeziehung
Eine sichere Bindung aufzubauen heißt, per definitionem, die Bedürfnisse des Kindes erkennen und angemessen und feinfühlig darauf zu reagieren. Was sind aber die kindlichen Bedürfnisse? Hunger, Schlaf, Nähe. Das ist offensichtlich. Es braucht aber auch Ruhe, Wärme, Freiraum und Rhythmus. Das richtige Deuten der Signale lernt eine Mutter recht schnell - zum Glück. Wichtig ist dabei, wie oben schon beschrieben, darauf zu achten, dass das Kind sich satt trinkt, wenn es Hunger hat und dass es sich ausschläft, statt kurze Nickerchen zu machen. Dafür können wir sorgen. Und damit helfen wir uns und dem Kind klarer zu werden im Kommunizieren und Beantworten von Bedürfnissen.
 
Der Bewegungsraum eines Neugeborenen
Eine sichere Bindung zu leben heißt nicht, das Kind nur rumzutragen und nicht mehr abzulegen. Es hat ein ganz großes Bedürfnis nach Bewegung, denn dadurch entwickelt es seine Mobilität. Anfangs scheint es nicht so, weil es nur liegt und schläft. Dennoch muss es richtig liegen dürfen! Da es nicht mehr die Schwerelosigkeit wie im Mutterbauch gibt, müssen wir jetzt darauf achten, dass der kleine Körper sich, den Gesetzmäßigkeiten der Schwerkraft entsprechend, entwickelt.
Das heißt, wir tragen den Säugling immer horizontal in der Armbeuge! Das ist für die Gesundheit des Säuglings bedeutsam. Die gekrümmte Wirbelsäule muss sich strecken können und dazu muss das Neugeborene auf einer flachen Unterlage liegen. Oder, wenn wir ihn tragen, dann immer waagrecht auf dem Unterarm liegend, den Rücken stützend.
Wenn wir das Kind vertikal an der Schulter tragen, was man leider sehr häufig sieht, ist diese Position nicht entspannend für den Säugling, sondern eine Belastung für den unreifen Körper. Das schwere Köpfchen drückt auf die Halswirbelsäule. Die ist von der Geburt her meist noch empfindlich. Der Körper hat noch keine Muskelspannung und sackt zusammen, sein Gewicht drückt auf die Bandscheiben. Der Druck wird noch verstärkt, wenn man ihn unter dem Gesäß stützt. Hinzu kommt, dass der Säugling mit seinen Äuglein umherirrt, da sein Blick in der Ferne keinen Halt findet. Das wollen wir auf keinen Fall.
 
Ein Kind ohne Bewegungsfreiraum ist zu Passivität verdammt
Und Passivität ist ein Entwicklungshemmer. Da wir einen Säugling viel tragen, liegt es in unserer Verantwortung auf eine entwicklungsgerechte Tragehaltung zu achten.   
Ein Baby, das flach auf dem Rücken liegt, hat immer die Möglichkeit sich zu bewegen. Es kann den Kopf drehen, oder die Beinchen anziehen. Und jede freie Bewegung kräftigt seine gesamte Muskulatur. Am Anfang sind es noch ganz kleine Bewegungen, die aber schnell größer werden, je mehr Möglichkeiten das Kind hat, sich frei zu bewegen.
 
Von Rhythmus keine Spur
In den ersten acht Wochen lebt man in einem Zustand irgendwo zwischen Himmel und Erde. Sowohl Mutter als auch Kind. Beide müssen sich an die neuen Lebensumstände gewöhnen. Das Kind schläft ca. 20 Stunden am Tag, unterbrochen durch Füttern und Pflege. Die Mutter lebt auch in der Umstellung, sich ganz auf dieses kleine Wesen einzustellen und sich gleichzeitig von der Geburt zu erholen. Das ist körperlich und emotional anstrengend, wenn auch von Außenstehenden nicht als solches wahrgenommen. Einen verlässlichen Rhythmus, der den Tag strukturiert, gibt es noch nicht. Umso mehr gilt es jetzt die eigenen Bedürfnisse nach Schlaf, Ruhe, Nahrung wahrzunehmen – ja, auch die Mutter! 8 Wochen lang erstmal ankommen und sich sortieren. Die Signale des Neugeborenen kennenlernen. Sich im Stillen, Tragen, Trösten, Pflegen üben. Schlafen so viel es geht, den Körper schonen und genügend essen. Einkaufen sollte anfangs an den Mann delegiert werden und Spaziergänge müssen auch noch nicht sein. Alles hat seine Zeit. Keine Angst, die Decke fällt so schnell nicht auf den Kopf!
Allein durch die Tatsache, dass es Tag und Nacht gibt, entsteht automatisch ein erster Impuls von Struktur. Nachts passiert alles leiser und reduzierter. Tagsüber sind wir ausgiebiger und zugewandter beim Stillen, Wickeln, Tragen, Liebkosen etc. Das reicht in den ersten 8 Wochen. Danach verändert es sich, der Säugling wächst und wir führen einen sinnvollen, an die Bedürfnisse des Säuglings angepassten Rhythmus ein. Aber das ist ein anderes Kapitel.

 

 


                                                                                                                                                                                                                
  
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